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Tarek Lutz

Kritik von Dr. Katrin Boskamp -Priever ( April 2002)

Das Interesse für Abstraktion und Reduzierung kennzeichnet Tarek Lutz' feingliedrige Skulpturen. Zunächst experimentierte er mit Holz - 1997/1998 entstanden die Figuren zweier Musiker, ein Bassist und ein Trompetenspieler, aus einem Baumstamm gesägt.

Dann war für den 1969 in Reutlingen geborenen Bildhauer, der sich in seiner Arbeit der kinetischen Kunst von Jean Tinguely verbunden fühlt, ein Besuch in Basel von entscheidender Bedeutung, wo er sich von den Werken des Schweizer Objektkünstlers zu seinen ersten geschweißten Eisenskulpturen inspirieren ließ. Lutz erprobte neue Techniken und entwickelte aus schwarz gezogenen Armierungseisen frei im Raum stehende, meist unterlebensgroße Figuren. ,Neutrale' Stäbe verdichten sich zu fragilen, schlanken, nahezu entmaterialisierten Gestalten, die durch den Gegensatz des spröden, nüchternen und funktionalen Materials und einer gleichsam graphischen Form pointierter Darstellung den Charakter spontaner Lebendigkeit erhalten. - "Steel meets music!"

Wie die skizzenhaften, kursorischen Notate eines Konzertbesuchers begegnen die als ein komplettes Orchester zusammengefügten Figuren von Streichern, Bläsern, Perkussionisten und einem Konzertpianisten ("Rhapsody in Blue", 1,70 x 10 x 4 m, 2001) - eine in ihrer Einfachheit der Mittel verblüffende Vergegenwärtigung von George Gershwins berühmter Jazzsinfonie und ihrer Uraufführung 1924 in der New Yorker Aeolian Hall durch Paul Whiteman, den "King of Jazz", und sein legendäres Orchester.

Dem Denken in Modellen ist eine verallgemeinernde Ausdruckskraft eigen, eine Reduktion auf das Wesentliche, die doch in ihrer konkreten Bestimmtheit Sorge trägt für die nötigen anatomischen Hinweise. Im Spiel mit der Phantasie des Betrachters, der sich Volumen, Dynamik und nicht zuletzt die Musik hinzudenkt, braucht es anders als bei Tinguely nicht die Bewegung zur Steigerung, Vervielfältigung und zeitlichen Variation visueller Reize.

Analoge Tendenzen begegnen in Lutz' Malerei: Strichmännchen vor farbigem Untergrund bilden ein patchworkartiges Muster, dem ein ähnlicher Ausdruck von Lebensfreude und Vitalität innewohnt. Tarek Lutz hat sich intensiv mit menschlicher Anatomie und Bewegung beschäftigt und gibt so seinen unverkennbar anthropomorphen Formen die Sprache des Körpers als ein zentrales Ausdrucksmedium von Anfang an mit auf den Weg.

Individuelle Emphase, Mitfühlen, Hingabe, Leidenschaft und die Selbstvergessenheit des Musizierens drücken sich in den Figurinen des "Rhapsody in blue"-Orchesters ebenso aus wie in der Figurengruppe "Jazz und Chet" (2001), wo Jazzgrößen wie Chet Baker ("Chet", 160 x 70 cm), Miles Davis ("Miles the trumpet", 160 x 50 cm) und John Coltrane ("John", 170 x 50 cm) zu einer Jam-Session versammelt sind. Den Künstler fasziniert die Besessenheit der Musiker, ihre Lebensweise und Einstellung und es gelingt ihm, der Bandbreite menschlicher Gefühle einen treffenden Ausdruck zu verleihen.

Weniger ist mehr. Zur Präzisierung der Form oder um zu zeigen, wieviel Charakter sich in der Körperhaltung eines Menschen ausdrücken kann, arbeitet Tarek Lutz mit äußerster Sparsamkeit der bildnerischen Mittel. Im Vordergrund steht ein untrügliches Gefühl für die menschliche Anatomie, für Körperschwerpunkte und Körperhaltungen, eine sensible Empfindung für den richtigen Winkel und die richtige Neigung, um den notwendigen emphatischen Effekt beim Betrachter auszulösen. Auch ohne die Zutat kinetischer Energie wirken Lutz' Skulpturen belebt, wenn nicht gar beseelt.

Zentrale Bedeutung bei der Verdichtung solch verschiedener Seheindrücke erhält die Beleuchtung. Bei der Inszenierung ungewohnter Arrangements entstehen durch eine veränderte Lichtregie neue Dimensionen: An der Wand tanzende Schatten evozieren dann in ihrer flüchtigen Schwerelosigkeit und in ihrer Neigung zur Bildung abstrakter Muster und linearer Geflechte die Frage nach dem Wesen der Wirklichkeit.

Katrin Boskamp-Priever

 

 

 
   

   © 2008 by Tarek Lutz  

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